Jahreslosung 2016

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Jahreslosung 2016

Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet;
ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden.
Jesaja 66,13

Ein schwieriger Satz. Gleichermaßen für Mütter und Kinderlose. Die einen machen sich Vorwürfe, weil sie nicht einem romantisch-perfekten, gar göttlichen Mutterbild entsprechen. Die anderen sind untröstlich, weil sie keine Kinder haben. Ein schwieriger Satz für jene, die selbst mütterlichen Trost vermisst haben oder vermissen. Und für jene, die auf Gottes mütterlichen Trost gehofft haben und diesen nicht verspüren. Das hebräische Wort für »trösten« (nicham) meint in der Grundbedeutung »heftig atmen«. Dem anderen so nahe sein, dass er meinen Atem spürt und ich seinen. Den anderen auf- und durchatmen lassen. Dem anderen einen befreienden Stoßseufzer erlauben. So steht auch die mütterlicher Figur in der Darstellung von Anne Fischer ganz nah, etwas versetzt hinter der männlichen Person. So nah, dass sie seinen Atem fühlen kann, dass sie ihn ebenso stützen und mit der Hand an seiner Schulter aufrichten kann. Ein inniger, sogar intimer Moment, wie sie beieinander stehen. Da hat es Raum für den befreienden Seufzer, für Tränen, für die wütend in der Hosentasche geballten Fäuste. Zeit und Raum für alles, was es braucht.

Das deutsche Wort »Trost« ist eng verwandt mit »treu« und »trauen«. Und es klingt nach »trust«, dem englischen Wort für Vertrauen. Trost, das hat mit Vertrauen zu tun, mit Treue und Standfestigkeit. Da stehen die beiden, fest auf dem Boden, mitten im Leben. Nicht jeden lässt man so nah an sich ran, vor allem nicht, in verletzten und verletzlichen Zeiten des Lebens. Nicht von jedem kann man sich trösten lassen und nicht von jedem Zuspruch und Ermutigung ertragen. Da braucht es Vertrauen und Beständigkeit. In der Beziehung zwischen den Menschen ebenso wie in der Beziehung mit Gott. Dann kann Trost getrost machen.

»Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet;« Im hebräischen Text steht das Wort isch (»Mann«). In den meisten Auslegungen wird dies unter Berücksichtigung der Mutter-Metaphorik mit »Sohn« übersetzt, wobei dies (auch im Nachklang der vorangegangenen Verse) an einen Säugling denken lässt. In der Bildgestaltung von Anne Fischer ist es jedoch ein erwachsener Mann, den die Mutter tröstet. Er steht da mit hängenden Schultern, die Hände in den Taschen vergraben, vielleicht vor Hilflosigkeit zu Fäusten geballt. Nicht sicher, wo er Halt finden kann. Kein rührendes Bild einer jungen Mutter mit einem Baby auf dem Arm, sondern eine mitfühlende, lebenserfahrene Frau, die einen starken Mann stützt, zu ihm steht, ihm den Rücken stärkt. Durch diese Darstellung kommt das Bild weg von der Mutter-Säugling-Thematik hin zu einer spirituellen Dimension, zur Treue Gottes, der einen starken, kräftigen, erwachsenen Menschen, wenn er vom Unglück gebeugt ist, wieder aufzurichten vermag.

Männer waren es, die Gott diese Worte in den Mund gelegt haben. »Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.« Männer, vom Patriarchat geprägt und weit entfernt von feministischen Ideen. Aber mit eigenen Trost-Erfahrungen. Auch Propheten sind Söhne. Auch Gottesmänner haben von ihren Müttern die Nase geputzt und den Hosenboden stramm gezogen bekommen. Kein Wunder also, dass in dem Augenblick, wo sie ihren verzagten und zaudernden Landsleuten sagen, dass Gott sie trösten wird, aus »Gott der Herr« eine gestandene Frau wird. Nicht sanftmütig und brav, sondern engagiert, aufrecht und unbestechlich.

Und so steht die Frauenfigur in der Darstellung von Anne Fischer buchstäblich hinter dem, der des Trostes bedarf. Aufrecht, mit beiden Beinen auf dem Boden stärkt sie ihm den Rücken. Gibt Halt aber ebenso Raum für die eigenen Schritte. Schiebt und drängt nicht, ist ihm aber zugeneigt und flüstert ihm ermutigende, klärende und sicher auch deutliche Worte ins Ohr. Den eigenen Weg gesteht sie ihm zu und gibt ihm das Vertrauen auf den richtigen Zeitpunkt, sich aus der Starre zu lösen, die Verzweiflung und Trauer hinter sich zu lassen und loszugehen. Respektvoll begegnet sie ihm, mit Raum zur eigenen Entscheidung. Aber immer da, um zu stützen und zu stärken. Sie hat ihm alles mitgegeben, was sie konnte. Jetzt ist er erwachsen, macht seine eigenen Erfahrungen. Das will sie ihm nicht nehmen, nicht den Weg bestimmen. Aber sie ist da, steht zu ihm, stützt und wärmt.

Der mütterliche Gott – eine starke Seite Gottes, die stark macht. Tröstend, sensibel, einfühlsam. Das schließt die Männer nicht aus. Vor allem nicht, wenn man sich von den vielfältigen Mutter-Baby-Darstellungen entfernt, hin zum Trost für einen Erwachsenen. Und Gott ist umfassend: »Ich bin, der ich bin«. Vater, Mutter – wie immer. Auf jeden Fall bin ich für euch da.

»Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden.« Dieser dritte Teil des Verses gehört nicht zur Jahreslosung. Jedoch ist er Teil der Gestaltung durch Anne Fischer. Israel ist zurückgekehrt, aber es ist alles anders, als es sich das Volk vorgestellt hat. Wo ist das Heil, wann kommt es endlich. Die wunderbaren Worte von Trost und dem Ende der Knechtschaft und Schuld (Jesaja 40) haben alle noch im Kopf. Balsam für die verwundeten Seelen. Alles wird wieder gut werden, sie werden gesunden und stark werden. Nun sind sie nach Jerusalem, nach Hause zurückgekehrt, haben den Tempel neu aufgebaut, haben mit Gott gerechnet. Und wieder verspricht ihnen Gott: »Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.«

Auch in der Darstellung von Anne Fischer findet sich Jerusalem. Ein offenes Tor, verschiedenste leuchtend bunte Häuser, eine offene, freundliche, einladende Stadt. Für jeden gibt es Raum. Ein Miteinander im umfangenden, umarmenden Kreis. Im Zentrum das Kreuz, die ultimativen Erinnerung an Gottes Liebe. Da findet sich die praktische Seite des Trostes. Und ihre soziale Konsequenz. »Ich werde euch trösten«, sagt Gott. »Und ihr werdet in Jerusalem getröstet.« Es liegt Trost darin, sich für Schwache stark zu machen, sich für eine funktionierende Gemeinschaft einzusetzen. Dass einem die Armen und Hilfebedürftigen genauso am Herzen liegen wie Gott selbst. Dass man für einander einsteht und dasteht und mitgeht. So gut und so viel jeder kann.

Das gesamte Bild von Anne Fischer wird vom Kreuz durchzogen. Dem großen Symbol der Liebe Gottes zu den Menschen. Der Liebe, die stärker ist, als der Tod.
Das Zentrum des Bildes, der umfangende und umarmende Kreis, ist erfüllt von warmen Gelb- und Goldtönen. Das Leuchten des Kreuzes inmitten der bunten, farbenfrohen Stadt Jerusalem. Dort finden sich alle Grundfarben in verschiedenen Schattierungen wieder. Es gibt Raum für jede und jeden. Und zentral das offene Tor. Die mütterliche Figur trägt Blau. Die himmlische Farbe, die auch der Himmelskönigin Maria zugesprochen wird. Allerdings ist das Blau der Maria heller und zarter, weniger kraftvoll und erdig, als bei dieser Darstellung der tröstenden Mutter. Dies ist keine zarte Jungfrau mit dem frisch gewickelten und gestillten Baby auf dem Arm. Es ist eine gestandene, lebenserfahrene Frau, die mit beiden Beinen fest auf der Erde steht. Der Getröstete ist in Braun und Grün gekleidet. Braun für das Erdige, denn auch er ist verwurzelt im Leben und Glauben. Grün steht für das Aufblühende, Wachsende, für die Hoffnung, die in seinem Herzen Fuß fasst. Der Trost der Mutter gibt ihm neue Kraft, wie ein Baum, der mit der nährenden Erde verbunden ist und durch Luft, Licht und Wasser neu aufblüht. Die unteren Felder sind in verschiedenen Grüntönen dargestellt, für das Neue, Wachsende, Reifende. Das hellere Feld ist Teil des Kreuzes und erscheint so wie auch das entsprechende Feld im oberen Bereich wie in einem Lichtstrahl. Die oberen Felder sind Blau, Himmelsblau, himmlisch blau. Am linken Rand ist eines der Felder Rot. Es gehört noch zum Kreuz, das über den Kreis hinaus über die gesamte Breite des Bildes verläuft. Es steht für das Blut, das Jesus am Kreuz vergossen hat.

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